Sonntag, Dezember 22

Wenn der Mindestlohn nicht zum Leben reicht

Ist der Mindestlohn gerecht? Diese Frage kommt immer häufiger auf, weil insbesondere bei Familien das Einkommen häufig nicht den monatlichen realen Lebensbedarf deckt. In der Folge muss der Haushaltsvorstand nach dem SGB II Leistungen zur Aufstockung für den Lebensunterhalt bei der Agentur für Arbeit beantragen. Ein Schritt mit vielen Hürden.

Mindestlohn und trotzdem auf Hartz IV angewiesen

Grundsätzlich ist die Absicht des Mindestlohns eine gute Sache. Arbeitnehmer sollen so vor Dumpinglöhnen geschützt werden, doch in der Realität stellt sich immer wieder heraus, dass Arbeitgeber Lücken im System ausnutzen, um hohe Arbeitnehmerkosten zu sparen. In der Praxis werden beispielsweise befristete Arbeitsverträge mit einer reduzierten Arbeitsstundenzahl ausgestellt. Mögliche Überstunden, die sich aus dem tatsächlichen Arbeitsleistungsbedarf ergeben, werden nicht entlohnt, sondern durch Freistunden oder Urlaub abgegolten. Für die Arbeitnehmer ergibt sich daraus der Anspruch, einen Aufstockungsantrag nach dem Hartz-Gesetz, zu beantragen.

Mag das Arbeitseinkommen für eine Person, also dem Arbeitnehmer, der das Einkommen erzielt, ausreichen, so deckt das keinesfalls den Lebensunterhalt für weitere im Haushalt lebende Personen. Ob es sich dabei um den Ehepartner und Kinder handelt oder um pflegebedürftige Angehörige, spielt keine Rolle. Der Anspruch auf einen staatlichen Zuschuss ergibt sich in diesem Fall aus der Bedarfsgemeinschaft. Dabei wird das Einkommen aller im Haushalt gemeldeten Personen herangezogen, um den staatlichen Zuschuss zu ermitteln. Auffällig dabei ist, dass nicht nur Arbeitnehmer mit niedriger Berufsqualifikation, sondern auch aus dem Mittelstand, betroffen sind.

Hohe Nebenkosten belasten Arbeitnehmer

Mit dem staatlichen Zuschuss zur Aufstockung des Arbeitseinkommens liegt das Gesamteinkommen nur marginal über dem Regelsatz nach dem ALG II. Viele überlegen sich deshalb, ob die Arbeitsaufnahme wirklich rentiert, wenn hohe Nebenkosten entstehen, die weder durch das Arbeitseinkommen, noch durch die Aufstockungsleistung, abgedeckt sind. Wer einen weiten Fahrweg zur Arbeit auf sich nehmen muss, zahlt häufig von seinem geringen Einkommen einen Teil dessen. Nicht immer ist es für die Arbeitnehmer möglich, dabei auf die öffentlichen Verkehrsmittel zurückzugreifen, wenn die Strukturen in abgelegenen Wohngegenden nicht existieren.

Noch härter sind Arbeitnehmer betroffen, die pflegebedürftige Angehörige im Haushalt haben. Neben dem medizinischen Aufwand, der nur teilweise durch die Gesundheitskasse bezuschusst wird, entstehen Kosten für Pflegekräfte, Versorgung durch einen ambulanten Dienst und spezielle Lebensmittel. Trotz staatlicher Bezuschussung reicht das Gesamteinkommen kaum bis zum Ende eines Monats.

Kinder aus Familien mit Mindesteinkommen sind ebenso benachteiligt, wie aus Familien, dessen Lebensunterhalt vollständig nach dem SGB II gesichert ist. Anschaffungen wie Schulmaterialien, Kleidung und die Kostendeckung für Freizeitaktivitäten und Schulausflüge stellen die Eltern mit Mindestlohn vor einem ernsthaften Problem. Leidtragende sind die Kinder, die mit anderen aus finanziell bessergestellten Haushalten, nicht mithalten können.

Antragstellung bei der Arbeitsagentur mit Hürden

Wer arbeitet, hat oft keine Zeit, die Agentur für Arbeit zu den gegebenen Öffnungszeiten aufzusuchen. Die notwendige persönliche Vorsprache bei der zuständigen Sachbearbeitung ist deshalb nur mit einem Urlaubstag verbunden. Doch dieser ist vonseiten der Arbeitgeber nicht immer sofort möglich, weshalb viele Arbeitnehmer die Fristen nicht einhalten können, die mit der Antragstellung verbunden sind. Eine reine digitale Antragstellung mit Legitimierung der Person über einen Online-Ident könnte dabei schnell Abhilfe schaffen.

Ein unterschätztes Anliegen bei der Antragstellung für die Aufstockung des Lebensunterhalts ist der mentale Faktor. Für einen Antrag müssen Antragsteller und alle weiteren Personen der Bedarfsgemeinschaft, alle Finanzen offenlegen und sind einem hohen Antragsaufwand unterworfen. Und das, weil Arbeitgeber bewusst die Arbeitnehmerkosten so ansetzen, dass diese auf staatliche Hilfen angewiesen sind. Eine Vereinfachung des Antrags und höhere Freibeträge für die Betroffenen, könnten den gesamten Prozess erleichtern. Viele Arbeitnehmer verzichten noch immer auf den Aufstockungsanspruch, weil sie sich schämen, dass sie von ihrem Arbeitseinkommen den Lebensunterhalt nicht sicherstellen können. Und damit, reinen Sozialleistungsempfängern nach dem Hartz IV-Gesetz, gleichgestellt werden.

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